Die HWG-Novelle 2012

Seit Inkrafttreten des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) 1965, das neben dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und den Berufsordnungen den rechtlichen Rahmen für Werbung im deutschen Gesundheitswesen bildet, hat sich das Patientenbild grundlegend gewandelt. Patienten haben mehr Eigenverantwortung und ein größeres Informationsbedürfnis.

Daher hat der Gesetzgeber über Artikel 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 28.06.2012 (AMG-Novelle), welches durch den Bundesrat erst kürzlich, am 21.09.2012, verabschiedet worden ist, Änderungen im Heilmittelwerbegesetz vorgenommen. Hierbei sind vor allem die Änderungen in § 11 HWG wichtig:

 

Verkaufskataloge und Preislisten für Arzneimittel § 1 Abs.7 HWG

Verkaufskataloge und Preislisten für Arzneimittel werden ausdrücklich vom Anwendungsbereich des HWG ausgenommen, sofern sie nur Angaben enthalten, die zur Bestimmung des jeweiligen Arzneimittels notwendig sind. Nach den Ausführungen des EuGH in der Entscheidung Ludwigs-Apotheke/Juers Pharma sind zulässige Angaben: Der Handelsname, die Packungsgrößen, die Wirkstärken und die Preise der Arzneimittel. Darüber hinausgehende Angaben führen zur Anwendbarkeit des HWG.

Packungen, Fachinformationen und Beurteilungsbericht § 1 Abs.8 HWG

Das Gesetz findet ferner keine Anwendung auf die aufgrund Aufforderung einer Person erfolgte Übermittlung der nach §§ 10 und 11a AMG vorgeschriebenen vollständigen Informationen und des öffentlichen Beurteilungsberichts für Arzneimittel nach § 34 Abs.1a S.1 Nr.2 AMG und auf die Bereitstellung im Internet. Somit können – auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel – Packungsbeilage, Fachinformationen und Beurteilungsbericht entweder auf Anfrage eines Laien an diesem übermittelt werden oder aber im Internet für Laien zugänglich gemacht werden. Voraussetzung nach der Rspr. des EuGH ist jedoch, dass sich der Laie um diese Information selbst „bemüht“. Die Informationen zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürfen dem Laien im Internet also nicht aufgedrängt werden, sondern dieser muss vielmehr selbst einen aktiven Suchschritt unternehmen.

Gutachten, Zeugnisse, wissenschaftliche oder fachliche Veröffentlichungen § 11 Abs.1 S.1 Nr.1 HWG

Nach der Streichung des § 11 Abs.1 S.1 Nr.1 HWG ist die Werbung mit Gutachten, Zeugnisse, wissenschaftliche oder fachliche Veröffentlichungen nunmehr grundsätzlich erlaubt. Sowohl die formalen Anforderungen des § 6 HWG wie insbesondere die vollständige Angabe der Fundstelle, als auch das Irreführungsverbot des § 3 HWG sind weiterhin zu beachten.

Die Grenzen der Laienwerbung mit Gutachten oder Studien finden ihre Grenzen in dem neu gefassten § 11 Abs.1 S.1 Nr.2 HWG: Beinhalten du zu Werbezwecken verwendeten Gutachten, Zeugnisse, wissenschaftliche oder fachliche Veröffentlichungen bzw. die Hinweise darauf eine Empfehlung, so fällt die Werbung unter das in dieser Ziffer geregelte Verbot.

Empfehlungen durch bestimmte Personengruppen § 11 Abs.1 S.1 Nr.2 HWG

Das ursprüngliche generelle Verbot einer Werbung der Angabe, dass ein Arzneimittel, ein Verfahren, eine Behandlung o.ä. ärztlich, zahnärztlich, tierärztlich oder anderweitig fachlich empfohlen oder geprüft ist oder angewendet wird, bezieht sich daher nach der Gesetzesnovelle lediglich noch auf die Werbung für Arzneimittel. Verboten ist aktuell somit nur eine Werbung mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf Empfehlungen von Wissenschaftlern, im Gesundheitswesen tätigen Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen.

Die Werbung mit fachlichen Empfehlungen ist grundsätzlich zulässig, Vorsicht ist jedoch nun bei der Werbung mit Prominenten, aber auch mit sonstigen im Gesundheitswesen tätigen Personen, wie z.B. Apothekern, PTAs und Krankengymnasten, geboten.

Der BGH hat in seiner letzten Entscheidung (Urteil vom 18.01.2012 – I ZR 83/11) vor allem darauf abgestellt, ob die Empfehlung zu einer Anregung zum Arzneimittelverbrauch führt. Dieses ist zwar zur alten Gesetzeslage ergangen, für die Auslegung dennoch interessant. Daher dürfen wohl durchaus aus sonstigen „institutionellen“ Empfehlungen, beispielswiese von der Stiftung Warentest, erfasst werden.

Wiedergabe von Krankengeschichten § 11 Abs.1 S.1 Nr.3 HWG

Das Verbot der Werbung mit Widergabe von Krankengeschichten oder Hinweisen darauf gilt nunmehr nur noch, wenn die Maßnahmen in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen oder die durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten können. Grundsätzlich ist damit also eine Werbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten erlaubt.

Bildliche Darstellung von Personen in Berufsbekleidung § 11 Abs.1 S.1 Nr.4 HWG

Mit Aufhebung des sog. „Weißkittelverbotes“ ist es Ärzten aktuell möglich, mit bildlichen Darstellungen in Berufskleidung bzw. bei der Ausübung ihres Berufes zu werben.

Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten – die Darstellung von Ärzten oder Apothekern in Berufskleidung Publikumswerbung dürfte oftmals empfehlenden Charakter haben und damit nach wie vor gemäß § 11 Abs.1 S.1 Nr.2 HWG unzulässig sein.

Bildliche Darstellung von Krankheiten oder Arzneimittelwerbung § 11 Abs. 1 S.1 Nr.5 HWG

Künftig ist nur noch die bildliche Darstellung von Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder von  der Wirkung eines Arzneimittels – nicht aber von Heilmitteln i.S.d. § 1 HWG – im menschlichen Körper verboten und zwar auch nur dann, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt.

Insbesondere das Verbot des Vorher-/ Nachher-Vergleichs entfällt – mit Ausnahme für operative plastisch-chirurgische Eingriffe, für die der neu eingeführte § 11 Abs.1 S.3 HWG ein Verbot von Vorher-/ Nachher-Vergleichen vorsieht.

Fremd- oder fachsprachliche Bezeichnungen § 11 Abs. 1 S.1 Nr.5 HWG

Gegenwärtig ist eine Werbung mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen grundsätzlich zulässig. Vor dem Hintergrund des Irreführungsverbotes des § 3 HWG sollten Werbemaßnahmen mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen möglichst verständlich und klar formuliert werden und mit Rücksicht auf das Risiko von Missverständnissen entsprechende Begriffe möglichst sparsam verwendet werden.

Hervorrufen von Angstgefühlen § 11 Abs. 1 S.1 Nr.7 HWG

Nunmehr sind Werbeaussagen, „die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte“, gegenüber Laien verboten. Dieses Werbeverbot gilt nach dem neuen Wortlaut nur noch für Arzneimittel und für Medizinprodukte, nicht aber für Heilmittel.

Die Praxis wird hier zeigen, wie die Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen auszulegen sind – insbesondere hinsichtlich der Formulierung „oder durch die Verwendung verbessert werden könnte“, denn das Inaussichtstellen einer Verbesserung dürfte so ziemlich jeder Werbung für Arzneimittel oder Medizinprodukte innewohnen.

Veröffentlichungen zur Selbstdiagose und –medikation § 11 Abs. 1 S.1 Nr.10 HWG

Das Verbot der Laienwerbung mit Veröffentlichungen zur Selbstdiagnose und -medikation wird aufgehoben. Anleitungen zur Selbstdiagnose sind aber nur soweit zulässig, als dass sie nicht die Gefahr einer falschen Diagnose bergen. Auch Anleitungen zur Selbstdiagnose oder –behandlung in audiovisuellen Medien sind unter dieser Voraussetzung künftig erlaubt.

Testimonials § 11 Abs. 1 S.1 Nr.11 HWG

Die Werbung mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben wird auf die fälle beschränkt, in denen eine solche Werbung in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt. Nach den Ausführungen des EuGH in seiner Grintec-Entscheidung (GRUR 2008, 367) kann die Werbung dann missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sein, wenn „die heilenden Wirkungen dieser Arzneimittel übertrieben dargestellt würden, sodass zu ihrem Verbrauch angeregt werden könnte, oder auch, wenn ihnen Merkmale zugesprochen würden, die sie nicht besitzen, und der Verbraucher dadurch in Bezug auf ihre Wirkweise und ihre therapeutischen Wirkungen in die Irre geführt würde.“

Aleatorische Reize § 11 Abs. 1 S.1 Nr.13 HWG

Eine Auflockerung erfolgt auch dahingehend, dass Preisausschreiben, Verlosungen u.ä. nur noch dann verboten sind, „sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.“  Zudem wurde der Anwendungsbereich des Werbeverbots auf Arzneimittel beschränkt, für andere Heilmittel i.S.v. § 1 HWG gilt das Werbeverbot nach seinem Wortlaut nicht, allerdings ist auch § 7 HWG zu beachten.

Angabe von Arzneimittelmustern und –proben § 11 Abs. 1 S.1 Nr.14 HWG

Das  Verbot der Abgabe von Mustern oder Proben von Arzneimitteln oder Gutscheinen an Laien zu Werbezwecken wurde generell ausgeweitet auf Arzneimittel. Somit ist nun nicht nur durch § 7 HWG die Angabe von Arzneimitteln zu Werbezwecken verboten, sondern auch durch § 11 Abs. 1 S.1 Nr.14 HWG.

 

Fazit: Da in der Novellierung des HWG einige unbestimmte Rechtsbegriffe auftreten, bleibt eine  inhaltliche Konkretisierung durch die Rechtsprechung abzuwarten. Sie bringt jedoch enorme Chancen für Kommunikation bzw. Werbung von medizinischen Leistungen mit sich und trägt darüber hinaus dazu bei, dem erhöhten Informationsbedarf des modernen, aufgeklärten und selbstbestimmten Patienten sowie den neuen Informationsquellen, wie z.B. Internet und Social Media, besser gerecht zu werden.

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